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Haiga – Glossar


atarashimi –
neue Werte, neuer Blickwinkel -
mit neuer Wahrnehmung und aus neuen Perspektiven heraus einen Blick auf alte Werte und Themen zu werfen

bokashi –
"Gradation" -
Maltechnik in der Tuschmalerei, um abgestufte Schattierungen zu erzeugen

choryu-fude –
Pinsel für Tuschmalerei (Wieselhaare), geeignet für Hauptlinien, wie Blumen, Vögel, Tiere und Bäume

dentō haiku –
traditionelles Haiku -
besondere und bekannte Verfechter des traditionellen Haiku im 5-7-5-moren-Rhythmus und mit einem Jahreszeitenwort waren Masaoka Shiki(1867-1902), Gründer der Zeitschrift Hototogisu, und sein Schüler Takahama Kyoshi (1874-1959)

ebaisho –
bebilderte haikai-Anthologie (erstmals in der Edo-Zeit)

fude –
Pinsel

fueki –
Idee der immer währenden Wahrheiten, die Dichter*innen mit ihren Idealen anstreben

gasenshi –
Papier, das sich für Kalligrafie und Tuschmalerei geeignet

gendai haiku –
modernes, zeitgenössisches Haiku -
es begann sich in Japan nach dem zweiten Weltkrieg zu etablieren, löste sich u.a. von den Vorgaben Jahreszeitenbezug und 5-7-5-moren-Zählung

gūi –
"versteckter Sinn"

haiga –
die Kombination von visuellen (Sumi-e usw.) und textlichen (Haiku) Elementen auf einer gemeinsamen Unterlage: einer Leinwand, einer Schriftrolle, einem Blatt Papier, einem Fächer usw., dabei soll der Text nicht das Visuelle erklären und umgekehrt, sondern beide Teile sollen sich ergänzen und zu einem Gesamtwerk zusammenfügen (siehe auch sha-hai)

haiga koraboreeshon –
Haiga-Gemeinschaftsarbeit von (zwei oder) mehreren Autor*innen

haiku –
zusammengesetzt aus haikai no hokku -
erster Vers aus einem haikai entnommen - der Startvers (hokku) eines Renga wurde von Bashō (Matsuo Bashō, 1644-1694) aus der Kettendichtung hervorgehoben und fungierte ab dem Zeitpunkt bereits als Werk mit besonderer Qualität, jedoch erst Shiki (Masaoka Shiki, 1867-1902) löste das hokku aus dem haikai, machte es zu einer eigenständigen Gedichtform und führte dafür den Begriff Haiku ein, anfänglich beinhaltete es ein Jahreszeitenwort und wurde im Rhythmus von 5-7-5 moren geschrieben, später löste man sich von diesen Vorgaben (modernes Haiku)

hakubunin –
Stempelart negativ-Druck, die Schrift ist weiß und der Hintergrund rot (siehe auch rakkan)

hanshi –
Papier, das sich für Kalligrafie eignet

honkadori –
Haiku schreiben nach einem Vorlagegedicht, aus dem oftmals Phrasen entnommen und im Haiku eingebaut werden

honzetsu –
Anspielungen auf z.B. allgemein bekannte Prosawerke (wie das genji monogatari)

hosomi –
"Spärlichkeit, Kargheit"

jikkan –
wirkliche Gefühle

jiyūritsu haiku –
"Freies Haiku" -
die Freie-Haiku-Bewegung  wurde von Ogiwara Seisensui (1884-1976) kurz nach 1900 ins Leben gerufen, sie wandte sich von der Neuen-Haiku-Bewegung (siehe Neues Haiku - shinkō haiku) ab und löste sich von der Regel 5-7-5-moren-Rhythmus und Jahreszeitenwort

juxtaposition –
Gegenüberstellung zweier Bilder/Elemente, die dadurch dynamisch in Beziehung treten, ein Spannungsgefüge, das Assoziationen evoziert

kachō fūei-shi –
"Gedicht der Blumen und Vogel-Dichtung" -
eine Naturdichtung, die um die Phänomene der Natur in den vier Jahreszeiten und der menschlichen Lebenswelt kreist, eine Definition des Haiku von Takahama Kyoshi (1874-1959)

kakekotoba –
Scharnierwort oder -wortteil -
bezieht sich auf zwei Versteile (als letztes Wort des ersten Teiles und erstes Wort des zweiten Teiles) und erhält so durch den unterschiedlichen Sinnzusammenhang eine Doppelbedeutung

kannenteki –
ein "ideengezeugter Vers" -
basiert nicht auf einer real beobachteten Szenerie

karumi –
Schlichtheit (wörtlich: "Leichtigkeit") -
die Schönheit der einfachen Dinge mit schlichten Worten wiederzugeben, ein Stil, den Bashō eingesetzt hat

kasure –
"gerissener Strich" -
in der Tuschmalerei das Bewegen des Pinsels, bis die Tusche ausläuft, um den als kaze bekannten Effekt zu erzeugen

kegaki –
"Haarlinien" -
Technik in der Tuschmalerei, bei der feine Linien gezeichnet werden

kidai –
Jahreszeitenthema -
Schlüsselthema, durch dem ein Haiku einer Jahreszeit zugeordnet werden kann

kigasanari –
zwei Jahreszeitenwörter (kigo) gleicher Jahreszeit in einem Haiku

kigo –
ki von kisetsu (Jahreszeit), go von kotoba (Wort)
Jahreszeitenwort -
Schlüsselwort für eine Jahreszeit in einem Haiku

kire –
Schnitt innerhalb eines Haiku -
eine Pause die trennt

kireji –
Schneidewort -
eine Art verbales Satzzeichen im Japanischen, das je nach Inhalt durch unterschiedliche Wörter dargestellt werden kann, häufige kireji sind: ka, kana, -keri, -ramu/-ran, -shi, -tsu, ya

kizure –
zwei Jahreszeitenwörter (kigo) verschiedener Jahreszeiten in einem Haiku, um Jahreszeiten ineinander übergreifen zu lassen

kokoro –
"Herz, Seele" -
dichterische Subjektivität (beim shasei)

ku –
kurzer, knapper Vers

kumadori-fude –
Pinsel für Tuschmalerei (Pferde-, Schaf- und Hirschhaare), geeignet für bokashi (Schattierung) und Blütenblätter

kusō –
"Phantasie"

kyakkan byosha –
Objektivität

ma –
„Lücke“, „Pause“ oder auch "Raum zwischen zwei Strukturteilen" -
ma
wird oft auch als "eine Leere voller Möglichkeiten, wie ein noch zu erfüllendes Versprechen" beschrieben, es ist nicht die Abwesenheit von etwas, sondern das Herz der Dinge, auch Begriff für das Gelingen einer Balance, für das Verhältnis zwischen zwei strukturierenden Teilen.

makoto –
"Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit"

meigen –
"goldene Worte" -
wichtige Lehrsätze

mensou-fude –
Pinsel für Tuschmalerei (Wieselhaare), geeignet für dünne und feine Linien, wie Blätter, Haare oder Insektenflügel

mono no aware –
"das Herzzerreißende der Dinge" -
das Bewusstsein von der Vergänglichkeit (mono - Dinge, aware - transzendiert die Gefühle von Traurigkeit und Freude und führt diese in eine neue, tiefe Emotion), diese Haltung zeigt sich z.B. in der "Geschichte vom Prinzen Genji" (Genji Monogatari)

mora –
japanische Lauteinheit, Mehrzahl: moren

mu –
die buddhistische "Leere", kann auch als "nichts" oder "ohne" übersetzt werden - mu weist über den Prozess der dualistischen Unterscheidung hinaus: Keine Klasse > nicht eins, nicht null, nicht ja, nicht nein

muki haiku –
Haiku ohne Jahreszeitenwort

muki no kotoba –
"Wörter ohne eine Jahreszeit"

nihon kanshi –
japanische Gedichte im chinesischen Stil

nijimi –
"diffuse Malerei" -
Technik in der Tuschmalerei, bei der man die Tusche in absorbierendes Papier eindringen lässt, sodass ein "verschwommenes Bild" entsteht

notan –
Technik in der Tuschmalerei, um tiefe und leichte Töne zu erzeugen, es ist ein komplexes Zusammenspiel von Schwarzweiß-Tönen - in Vollendung der Technik kann der gleiche Reichtum an Tönen erschaffen werden, wie mit einer Fülle bunter Farben

nushi aru kotoba –
"Ausdrücke, die ein Herrn haben" -
Ausdrücke, die aufgrund ihrer besonderen Schönheit oder Originalität als Eigentum ihrer Verfasser*innen betrachtet und deshalb in Japan in der Dichtung fortan nicht von anderen verwendet werden durften

okasi –
"all das, was das Gesicht zum Lächeln oder Lachen bringt" -
Gegenstück zu mono no aware, ein ästhetisches Prinzip, das eher den Intellekt anspricht, hier sei z.B. das "Kopfkissenbuch" von Sei Shōnagon genannt

onchō –
"Harmonie"

rakkan –
Abkürzung von rakuseikanshi, rakusei - "Vollendung des Schreibens", kanshi - Stempel (Siegel), diese Stempel wurden seit dem 15. Jahrhundert für die Signatur der shodo-Künstler*innen benutzt, die Signatur enthält den richtigen Name des Künstlers / der Künstlerin (seimeiin) oder den Künstlernamen (gagoin), die Stempelgröße ist nicht vorgeschrieben, die Stempelfarbe ist Rot

Reibtusche und Reibstein –
die Tusche wird aus gepresstem Ruß (z.B. aus Kiefernholz, Pinienholz) und natürlichem Kleber hergestellt, der Reibstein besteht in der Regel aus Naturschiefer

ruiku –
ähnliches, gleichartiges Haiku

sabi –
Patina zeigen, über Reife verfügen, elegante Schlichtheit -
alt und verwittert mit einem Hauch Traurigkeit auf Grund von Verlassenheit, beinhaltet auch Gebrauchsspuren des Alters

saijiki –
Verzeichnis, Wörterbuch, Nachschlagewerk der kigo einer Region

sanba-fude –
Pinsel für Tuschmalerei (Wasserhirschhaare), geeignet für Darstellungen der Wildnis, wie Felsen oder Kieferbaum

sha-hai –
sha von shashin (Foto), hai von Haiku
Komposition aus einem Foto und einem Haiku

shasei –
Stil des objektiven Skizzierens der Natur "so wie sie ist" in einem Haiku -
Momentaufnahme, vergleichbar mit einem Schnappschuss, bei dem das subjektive Auswählen und die Perspektive des Fotographen einen nicht ganz unerheblichen Einfluss hat

shibumi –
Kürze, Wortökonomie

shibusa –
"Schlichtheit, Sparsamkeit" -
auch Stil der "vornehmen Zurückhaltung"

shikishi –
Papier, das sowohl für kalligraphische Werke als auch für Tuschmalereien verwendet wird, das gebräuchliche shikishi-Papier ist 24 × 27 cm groß, 2mm dick und hat einen Goldrand

shinkō haiku –
"Neues Haiku" -
wurde u. a. durch Kawahigashi Hekigotō (1873-1937), Schüler von Masaoka Shiki (1867-1902), etabliert (Bewegung zum Neuen Haiku) und setzte sich so vom traditionellen Haiku (dentō haiku) ab, die Anzahl von 17 moren blieb erhalten, allerdings nicht mehr auf den Rhythmus 5-7-5 beschränkt und auch das Jahreszeitenwort war nicht unbedingt erforderlich

shiori
"Empfindlichkeit, Zartheit" -
zarter Nachklang des dichterischen Erlebnisses

shiZen to hitotsu ni naru –
"Einssein mit der Natur" -
ist analog mit „satori“ (Erkenntnis vom universellen Wesen des Daseins im Zen-Buddhismus)

shodo –
"Weg des Schreibens" -
bezeichnet die japanische Schreibkunst mit Pinsel und Tusche (Kalligrafie), shodo ist aber nicht nur die Kunst des schönen Schreibens, sondern auch Ausdruck von Geist und Seele

shodo-Japanpapier –
auch washi genannt, wird handgeschöpft oder auch maschinell hergestellt, für handgeschöpftes Papier werden Maulbeer-, Mitsumata- oder Gampi-Bäume verwendet, altes Papier hat eine bessere Saugfähigkeit, weil mit der Zeit die Feuchtigkeit regelmäßiger verteilt wird

shubunin –
Stempelart positiv-Druck, die Schrift ist rot und der Hintergrund weiß (siehe auch rakkan)

sokkyō –
"Spontanität"

sumi-e –
oder auch suibokuga -
"sui" bedeutet Wasser, "boku" oder "sumi" bedeutet schwarze Tusche, die aus Ruß hergestellt wird, "ga" oder "e" bedeutet Bild oder Gemälde
japanische Tuschmalerei für die man Pinsel, Stangentusche, einen Reibstein, Wasser und ungeleimtes Papier oder auch Seide als Malgrund benötigt

takedakashi –
großartiges, erhabenes Bild (literarisch)

tanzaku –
Papier, das die gleich Struktur wie shikishi hat, unterscheidet sich davon nur durch die Größe, das längliche Format (7,5 × 36 cm) eignet sich besonders für das Schreiben von Haiku oder Tanka

teikei –
5-7-5-moren-Rhythmus

tensho –
Schriftstil der Siegelschrift

wabi –
"an Ärmlichkeit grenzende Bescheidenheit" -
Herbheit des Einsam-Stillen, aber auch das Unperfekte, wie es die Produktion eines Objekts mit sich bringt

wabi-sabi –
Konzept der Wahrnehmung von Schönheit -
nicht die offenkundige Schönheit, sondern die verhüllte herbe Schlichtheit, verborgen in der Hülle des Unscheinbaren, eine Ästhetik des Unperfekten, das sich auch durch Asymmetrie, Rauheit und Unregelmäßigkeit auszeichnet und Achtung vor der Eigenheit der Dinge beinhaltet

yohaku –
leerer Raum, Auslassung, das nicht Gesagte

yohaku-no-bi –
"die Schönheit des übriggebliebenen Weiß" -
ein ästhetisches Prinzip, bei dem im Kunstwerk stets eine freie (weiße) Stelle oder Fläche bleibt, so entsteht ein Moment der Andeutung, des Geheimnisvollen, des Verborgenen (siehe auch yūgen)

yoin –
"Nachhall"

yūgen –
Geheimnis, das Unausgesprochene, die unergründliche Tiefe eines Haiku -
etwas, das auch über den Haiku-Moment hinaus, unergründlich bleibt, sozusagen im Bereich jenseits der Worte liegt



(Mai 2021)